Abschied von der Fahrradstadt

Der ambitionslose Haushaltsentwurf des Mobilitätsressorts ist eine Abkehr von allen Klimazielen und städtebaulichen Entwicklungsmöglichkeiten. Bauvorhaben wie Premiumrouten und neue Weserquerungen werden nun begraben.

„Dabei hätten einige von ihnen laut Verkehrsentwicklungsplan (VEP) von 2014 schon längst fertig sein müssen. Gleichzeitig feiert sich die Stadt im „FAHRRADja! 2024“.“, kritisiert Sven Eckert, Geschäftsführer des ADFC Bremen.

Ein klarer Strategiewechsel: Vorwärts in die Vergangenheit

Das Leitbild Erhalt, Erneuerung und Ertüchtigung, dass Senatorin Ünsal im WK Interview (17.02.2024) entwirft, funktioniert nur für den Autoverkehr. Fußverkehr, ÖPNV und allen voran der Radverkehr brauchen Ausbau, vor Ertüchtigung, vor Erhalt. Wer zu schmale und nicht den geforderten Standards entsprechende Radwege saniert, schmeißt das Geld zum Fenster raus.

Senatorin Ünsal stellt richtigerweise fest, dass Fachkräfte fehlen und die Sanierung der drei vorhandenen Weserbrücken eine große Herausforderung für das Ressort ist. Lösungen dafür werden nicht präsentiert. Diese sind, so zeigt die Erfahrung, aber dringend notwendig. Nach 2014 hat es fünf Jahre gedauert bis die im VEP beschlossenen Stellen zur Planung von Nahmobilität Realität wurden. Ungewiss ist daher ob und wie zügig die dringende Sanierung der bestehenden Brücken überhaupt gelingen kann.

Fahrradbrücken und Premiumrouten sind wichtige Infrastruktur

„Natürlich müssen die vorhandenen Weserbrücken erhalten und saniert werden. Aber genauso müssen jetzt die seit 10 Jahren geplanten Fuß- und Fahrradbrücken gebaut werden, damit die vorhandenen Brücken entlastet und die Wege für Fußgänger:innen und Radfahrende sicherer, kürzer und attraktiver werden.“, so Eckert.

Gerade der Wesersprung Mitte ist eine notwendige Maßnahme. Die Wilhelm-Kaisen-Brücke und der Tiefer sind schon heute ein Nadelöhr. Gerade am Tiefer kommen sich Fuß- und Radverkehr gefährlich nah, während dem Autoverkehr nebenan üppig Platz geboten wird. Auch hierfür hat das Verkehrsressort keine Lösungen parat. Der geplante Umbau der Balgebrückstraße und der Domsheide wird die Situation zusätzlich verschärfen.

Der Wesersprung Ost, in den letzten Jahren ein Lieblingsprojekt der SPD, ist eine für Pendler:innen von und nach Hemelingen unglaublich attraktive Verkehrsverbindung und damit eine verkehrliche Entlastung eines hochbelasteten Stadtteils.

Die Mobilität in den Quartieren zu stärken ist grundsätzlich ein guter Vorschlag, aber die Premiumrouten, die diese zentrumsferneren Quartiere für Radfahrende sicher miteinander und mit dem Zentrum verbinden, werden nun zurückgestellt. Viele Pendler:innen möchten auf das Fahrrad umsteigen und könnten so zu einer Entlastung der Straßen beitragen, aber die Fahrradbrücken und Premiumrouten, die eine erhebliche Verkürzung der Fahrstrecken und -zeiten bedeuten würden, sind nach 10 Jahren VEP immer noch nicht mehr als eine Skizze auf Papier.

„Dabei hat Bremen allein in den letzten Jahren nicht viel in den Radverkehr investiert. Der Löwenanteil der finanziellen Mittel wurde vom Bund getragen. Noch gibt es Bundesmittel für die Radverkehrsförderung. Das Haushaltsnotlageland Bremen sollte alles daran setzen diese optimal auszunutzen.“, führt Eckert aus.

Klimaenquete

Im vom Senat verabschiedeten Bericht der Klimaenquete ist das klare Ziel genannt: Bis 2030 hat „eine Umstrukturierung von Straßenräumen zugunsten des Umweltverbundes (Fuß, Rad, ÖPNV) dazu beigetragen, dass dieser deutlich sicherer, attraktiver und zuverlässiger geworden ist.“ Aufgrund der Attraktivität und des Ausbaus des Umweltverbundes sowie der Setzung von Anreizen ist die Anzahl der (privaten) Pkw bis zu zwei Drittel zurückgegangen. Der Radverkehr soll um vier Prozentpunkte steigen, bis 2038 um weitere fünf Prozentpunkte.

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