So urteilt der Radfahrer-Verband über Bremerhavens Verkehrspläne

Radtrassen, Bike-Sharing, vierspurige Straßen - das und mehr will die Seestadt angehen. Der ADFC sieht aber auch reichlich Nachholbedarf.

Der Verkehrsentwicklungsplan ist ein zentraler Punkt des Koalitionsvertrags. SPD, CDU und FDP haben dafür Eckpunkte festgelegt, die künftig in Strategien und Projekten angegangen werden sollen. Laut Koalition bestehe die Herausforderung in einer Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer. Auch für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz wollen die Politiker sorgen. Der verkehrspolitische Sprecher der Ortsgruppe Bremerhaven im Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), Hans Joachim Schmeck-Lindenau, sagt, was er von den Plänen hält.

Ein Gespräch mit dem Bremerhavener ADFC-Sprecher und Vorstandsmitglied Hans Joachim Schmeck-Lindenau

Angestrebt wird die Installation eines modernen Verkehrsleitsystems. Wie finden Sie das?

Dieses sogenannte "Darmstädter Modell" wurde dort wegen der Staubelastung entwickelt. Es gibt per Überwachung und Software Tipps zur Stauumgehung. Wenn wir allerdings in Bremerhaven etwas extrem selten haben, dann ist das Stau. Insofern ist dieser Punkt eine überdimensioniert, autofreundliche Angelegenheit, die eine Menge Geld kostet. Ist es das wert?

Die Fahrradinfrastruktur soll durch eine Nord-Süd-Trasse verbessert werden. Für Sie kein unbekanntes Thema, oder?

Dieser Punkt entspricht unseren Forderungen. Bremerhaven ist eine langgestreckte Stadt, darum ist diese Trasse eine gute Sache. Die Verbindung zwischen Wulsdorf und Fischereihafen soll 2022 fertig sein, vor kurzem wurden dafür drei Millionen vom Bund und 300.000 Euro von der Stadt bewilligt. Eine echte Nord-Süd-Trasse würde allerdings bis in die nördlichsten Stadtteile gehen. Wir freuen uns erstmal, dass es im Konzept steht und hoffen auf die Umsetzung.

Auch zur Ausweitung der Fußgängerzone für den Fahrradverkehr hatten Sie Forderungen. Sind Sie zufrieden mit den Plänen?

Das ist ein heiß umstrittenes Thema. Bis zur Renovierung war dort Radfahren erlaubt, dann wurde die Nutzung auf 22 Uhr bis 9 Uhr beschränkt. Der ADFC hatte 20 Uhr bis 11 Uhr gefordert, um zu testen, ob der Einzelhandel profitiert oder durch vermeintlich fernbleibende Fußgänger tatsächlich eingeschränkt wird. Dann hätten Einkäufer zur Geschäftszeit und Studenten zur Vorlesungszeit das Rad nutzen können. Das hätte die Innenstadt belebt. Dass es nun bis 10 Uhr möglich sein soll ist immerhin ein kleiner Schritt.

Die Nord-Süd-Achse, die unter anderem über die Columbusstraße führt, soll vierspurig bleiben. Was denken Sie darüber?

Das zeigt, dass motorisiertem Verkehr in der Stadt auf besonderen Wunsch der CDU eine hohe Bedeutung beigemessen wird - er steht für die Partei im Vordergrund. Es ist kein Drama, aber es hätte Möglichkeiten wie eine "Shared-Bike-Lane" gegeben. Die rechte Spur hat dabei ein Tempo-30-Limit und darf auch von Fahrrädern genutzt werden.

Verschiedene Sharing-Angebote sollen stadtweit ausgebaut werden. Eine gute Sache?

Ja, Car- und Bike-Sharing finde ich eine gute Sache. So wird der motorisierte Verkehr reduziert. Bisher gibt es Leihfahrrad-Angebote, die überwiegend für Touristen interessant sind. Elektroroller würden wohl nicht weiterhelfen, außerdem scheint noch kein Anbieter interessiert zu sein.

Es sollen Anreize für klimaneutrale Antriebssysteme geschaffen werden. Wie interpretieren Sie das?

Abgesehen von zum Beispiel kostenlosen Parkplätzen für E-Autos müsste es auch Parkplätze und breitere Radwege für Lastenfahrräder geben. Ebenso eine Beschilderung für Radwege, die sind in Bremerhaven leider selten und schlecht gepflegt. Auch gute Bodenbelege wären auf Radwegen wichtig. Das wären Anreizsysteme für klimaneutrale Antriebssysteme.

Wie finden Sie die Pläne einer eigenen Fahrradtrasse für Elbinger Platz und Columbusstraße, einschließlich Kennedybrücke?

Das ist unbedingt erforderlich, dort ist es richtig gefährlich. Darüber freuen wir uns. Es gibt viele Menschen, die über Bedrängung klagen, weil dort der Radverkehr auf die Straße mit Schwerlastverkehr geführt wird.

Die Pläne umfassen weitere Maßnahmen, die nicht direkt mit dem Radverkehr zu tun haben. Ihre Meinung dazu?

Die Anschaffung von Wasserstoffbussen finden wir gut, würden uns aber mehr Möglichkeiten der Radmitnahme wünschen. Auch die Fertigstellung des Hafentunnels begrüßen wir, weil das den Schwerlastverkehr in der Innenstadt reduziert. Gut sind außerdem die geplanten E- und Wasserstofftankstellen sowie flächendeckend grüne Pfeile.

Wie fällt Ihr Fazit zum Verkehrsentwicklungsplan für Bremerhaven insgesamt aus?

Wir wünschen uns von der Stadt mehr Reklame fürs Radfahren. Bremerhaven stellt sich als Klimastadt dar, warum nicht als Fahrradstadt? Veranstaltungen zur Förderung des Radverkehrs und Zielsetzungen für den Radverkehrsanteil wären wichtig. Der Weserradweg wurde von Fahrradfahrern zum beliebtesten Radweg Deutschlands gewählt, der führt durch Bremerhaven. Im Tourismuskonzept der Stadt tauchen Radtouristen aber gar nicht auf, auch nicht als Einnahmequelle. Als Fazit lässt sich sagen: Wir freuen uns, dass die Politik die Ausgaben für den Radverkehr von 1,75 Euro auf sechs Euro pro Bürger anheben will - auch wenn im nationalen Radverkehrsplan von mindestens acht Euro die Rede ist. Man darf aber auch nicht vergessen, es lässt sich nicht alles in einer Legislaturperiode umsetzen.

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